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Von Stettin nach Stepenitz


... Und wie es dazu kam, das erfahren Sie in:

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Das Bad im Gefängnis

Dass ich als Kind sogar einmal im Gefängnis baden durfte, war einem besonderen Ereignis zuzuschreiben.
Nie und nimmer hatte man es vorausgesehen, dass nach dem schneereichen Winter das Tauwetter so frühzeitig und so plötzlich einsetzen würde, denn sonst hätte mein Vater niemals einen so großen Schneeberg auf dem Hof zusammen geschaufelt. Er hätte die weiße Pracht ebenso in den Garten und in die kleine Wiese fahren können.
Die Werkstatt befand sich damals noch im Haus, und durch die Tür nach dem Hofe zu drängte das Schmelzwasser zuerst hinein. Obgleich draußen alles getan wurde, den Schnee schnellstens zu verteilen, ließ sich die Katastrophe nicht verhindern, das Wasser stieg und stieg und plätscherte richtig ins Haus. Auch die beiden muldenartigen Rinnen vor dem Eingang versagten bei diesen Wassermengen.
Da nun alle Hände draußen gebraucht wurden, konnte sich niemand um die Dinge kümmern, die drinnen geschahen. Und so kam es, dass ich Fünfjährige auf dem Hausflur stand und staunend erlebte, wie sich alle Gegenstände, die unter den Betten oder sonst wo ihren handgreiflichen Platz gehabt hatten, nun als muntere Schifflein in den sich bildenden Strudeln drüselten.
Da wir nun aber nicht eher wieder im Haus wohnen konnten, ehe das Wasser abgezogen war, halfen die Nachbarn. Und so kam es, dass meine Schwester und ich von der Familie des Gefängniswärters, der gleichzeitig Angestellter auf dem Amtsgericht war, aufgenommen wurden und einige Zeit dort wohnen und schlafen durften.
Der Herr des Hauses war, mit Mittelscheitel und dicker Uhrkette auf der Weste, schon eine respektvolle Erscheinung, nur konnte er selten als solche von Gefangenen anerkannt werden. Es wurde nämlich bei ihm nur selten jemand „eingelocht“ und wenn schon, dann war es gewiss kein Schwerverbrecher, die kamen nach Gollnow, wo sich das Zuchthaus befand.
Von vier Töchtern des Hauses war Mariechen, die jüngste, unsere Spielfreundin. Ihr Vater bezeichnete sie gern als „Mariechen, das süße Viehchen“.
Dem roten Backsteinbau, in dem diese Familie wohnte, unserm Haus etwas rechts gegenüber, war auch das Gefängnisgebäude angeschlossen. Da nun ein Gefängnis aber unbedingt eine Bademöglichkeit haben musste, hatte man in der ersten Zelle rechts eine Zinkbadewanne und einen Kohle-Badeofen aufgestellt. Und von dieser komfortablen Einrichtung nun durften dann auch meine Schwester und ich profitieren. Eines Tages wurde der Ofen geheizt, man ging im Gänsemarsch eine dunkle Treppe hinunter, und das große Baden begann. Im Gegensatz zu dem Holzzuber, in dem bei uns zu Hause das Baden stattfand, war diese große Wanne eine Sensation, und ganz ohne Juhu ging es nicht ab, das Bad im Gefängnis.
Zum ersten Male habe ich damals in meinem Leben einen Gefangenen gesehen. Er war es, der immer wieder neues Wasser aus einer Pumpe inmitten dicker Gefängnismauern eimerweise herbei tragen musste.
Als wir am andern Tag den Aufseher bei einem Gang über den Hof begleiteten, sahen wir ihn abermals. Er schaute mit großen, dunklen Augen auf uns. Das Fenster seiner Zelle war durch dicke Eisenstäbe gesichert. So ganz erfasste ich die Tragweite solchen Geschehens damals noch nicht, doch das Gesicht des Mannes und der Ausdruck seiner Augen sind mir in Erinnerung geblieben.

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© Elfriede Zachen, Bad Oldesloe 1980 – Alle Rechte vorbehalten.


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